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Torgau steht für die Unrechtsjustiz
dreier totalitäter Systeme des 20. Jahrhunderts. Als Gedenkort in unmittelbarer
Nähe des historischen Ortes hat die Gedenkstätte eine zweifache
Funktion. Zum einen werden Inhaftierung und Ausgrenzung hier durch den Blick
auf Mauer und Wallgraben sowie das dahinterliegende Gefängnis veranschaulicht.
Zum anderen steht der Ort als "Pars pro toto" für die Leiden
derer, die an verschiedenen Orten in Torgau gefangengehalten, mißhandelt
und vielfach auch ermordet wurden, bzw. deren Leiden von Torgau aus organisiert
wurde.
Der Gedenkort wird durch eine gefaltete, blau-grau eingefärbte Betonplatte
geformt. Sie neigt sich zum Wallgraben und lenkt somit den Blick auf die
Festungsmauer und das dahinterliegende Gefängnis. Die seitlichen Auffaltungen
rahmt den Blick und schirmt zugleich den Gedenkortes behutsam von der Wohnbebauung
und den Privatgärten ab. Dennoch bleibt der Zugang zum Gedenkort auf
dem gleichen Niveau wie die Straße. So bleibt eine Sichtbeziehung
von der Straße zum historischen Ort erhalten, der ebenerdige Eingang
lädt zum Betreten der Fläche ein.
An der südlichen Aufkantung der Platte findet sich eine Inschrift,
die den Ort den Opfern von Unrechtsjustiz widmet. Beim Blick zum Wallgrabens
wird ein Gedenkspruch sichtbar, der das Inhaftiertsein und Gedenken thematisiert.
Er ist auf der Innenseite des sog. "Aha" angebracht, der zugleich
als unsichtbare Brüstung dient. Durch die Abböschung der anderen
Seiten kann auch dort auf eine Brüstung verzichtet werden.
Durch seine eigenwillige Form und Materialität aus blaugrau eingefärbten
Ortbeton mit metallischen Einschlüssen hebt sich der Gedenkort von
der Alltäglichkeit der Umgebung ab. Das für den Gedenkort vorgesehenen
Gelände wird aus der natürlichen Topographie herausgelöst
und verfremdet. Sie kann als Infragestellung herkömmlicher Ordnungsgefüge
interpretiert werden. Die zurückhaltende Gestaltung des Gedenkorts
enthält sich einer Geschichtsinterpretation und gibt dem Besucher Raum
für individuelle Gedanken und Erinnerung.
1. Ankauf, Beschränkter Wettbewerb | Torgau | 1999
Philipp Oswalt (Architekt), Stefan Tischer (Landschaftsarchitekt), Stefanie
Brauer (Historikerin)
Mitarbeit: Bruno Kurz, Christoph Kühn, Modell: Giuseppe Boezi, Maria
Luisa Rossi |